Wissenschaftlich fundierte Langzeitstudie bietet Orientierung und verändert den Markt
„Generell wird zu viel Zucker konsumiert und dies gilt auch für Getränke.“, erklärt die Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Univ. Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer. „Speziell für die Volkskrankheit Diabetes spielt aber die Wahl des richtigen Getränks eine ganz entscheidende Rolle, um den Ausbruch der Krankheit zu verhindern oder Folgeschäden zu vermeiden. Mit Zucker gesüßte Getränke tragen durch den raschen Anstieg des Blutzuckers und ihrem gleichzeitig geringen Sättigungspotenzial zu Übergewicht und Insulinresistenz (einer Vorstufe des Typ 2 Diabetes) bei. Das wurde in den letzten Jahren eingehend untersucht und weltweite Vergleichsstudien beweisen den starken Zusammenhang zwischen dem Konsum von sogenannten Softdrinks und der Entstehung von Übergewicht, Adipositas, Fettleber und Diabetes. Ideale Durstlöscher sind vorrangig Wasser und ungesüßte Tees. Vom Handel und der Gastronomie wird aber ständig eine Fülle von gesüßten Getränken angeboten. Konsumentinnen und Konsumenten brauchen Orientierung, um zu wissen, welches Getränk für sie gesund beziehungsweise zumindest vertretbar verträglich ist. Ein genereller Rückgang des Zuckergehalts bei Getränken ist erfreulich, aber der Gehalt ist immer noch viel zu hoch.“
Ergebnisse der SIPCAN-Getränkeliste
In einer jährlichen wissenschaftlichen Untersuchung wird von SIPCAN bundesweit das Getränkeangebot in PET-Gebinden sowie Kartonverpackungen von 0,20 bis 0,75 Liter analysiert. Die klaren Orientierungskriterien für diese Langzeitstudie lauten: Getränke sollen maximal 7,4 g Zucker pro 100 ml sowie keine Süßstoffe enthalten. Die aktuelle Erhebung umfasst 696 Produkte und zeigt, dass der Anteil an Getränken, die den Orientierungskriterien entsprechen, im Vergleich zu den Vorjahren weiter zugenommen hat und derzeit bei 64,5 Prozent liegt. Im Vergleich zur ersten Untersuchung aus dem Jahr 2010 entspricht dies einer Reduktion von 18,3 Prozent Zucker. „Das bedeutet, dass derzeit in einem Supermarkt mit einem repräsentativen Getränkeangebot zwei Drittel der angebotenen Produkte den Orientierungskriterien entspricht“, erklärt Univ.-Prof. Prim. Dr. Friedrich Hoppichler, Vorstand von SIPCAN und Präsident der Österreichischen Adipositas Gesellschaft, „Pro 100 ml Getränk sind derzeit 6,15 g Zucker im Durchschnitt enthalten. 2010 waren es noch 7,53 g. Dies zeigt, dass die Orientierungskriterien der SIPCAN-Getränkeliste Einfluss auf den Markt haben.“
Orientierung bereits am Etikett
Um die Einhaltung der Orientierungskriterien für die Wirtschaft attraktiver zu machen, wurde vor einem Jahr den Getränkeproduzenten die Nutzung des SIPCAN-Getränkelisten-Logos zugänglich gemacht. Immer mehr Unternehmen nutzen diese Möglichkeit. Auch auf immer mehr Getränkeetiketten findet sich das Logo der SIPCAN-Getränkeliste als sichtbares Zeichen des Engagements. Hoppichler betont: „Je mehr Menschen sich an den vorgeschlagenen Kriterien orientieren und diese für ihre Kaufentscheidung heranziehen, desto stärker wird die Industrie reagieren. Der Genuss muss selbstverständlich auch weiterhin stimmen. Dass dies funktionieren kann, zeigt die steigende Anzahl an Getränken mit moderatem Zuckergehalt“.
Neue Orientierungswerte ab September 2019 Um den Druck auf die Industrie weiter aufrecht zu halten und eine kontinuierliche Zuckerreduktion weiter zu forcieren, gilt ab September 2019 – also mit dem Start des neuen Schuljahres – ein neuer Orientierungswert für den Zuckergehalt, den sich jeder merken sollte. Dieser lautet dann 6,7 g statt 7,4 g Zucker pro 100 ml. Die Getränkeindustrie hat sich bereits auf den neuen Grenzwert vorbereitet, um ab September mithalten zu können. Die guten Ergebnisse von 2019 sind somit schon ein Resultat aus der in Abstimmung mit dem Gesundheits- und Bildungsministeriumfestgelegten neuen niedrigeren Orientierungswerte. Der Wert ergibt sich daraus, dass der vormalige Toleranzbereich von 25 Prozent auf 12,5 Prozent halbiert wird. Hoppichler betont: „Gerade der Toleranzbereich ist für den Erfolg der Getränkeliste entscheidend, denn zu idealistische Ziele können für die Gesundheitsförderung wie Gift wirken und gute Ideen schnell in der Schublade verschwinden lassen, weil sie in der Praxis nicht umsetzbar sind. Mit dem Orientierungswert wurde ein Wert definiert, der sowohl für die KonsumentInnen als auch für die Getränkeproduzenten ein erreichbares Ziel darstellt. Im September 2019 gehen wir den nächsten Schritt und stecken das Ziel etwas höher.“
Süßstoffe auch weiterhin kein guter Ersatz
Das zweite Kriterium für Getränke bleibt unterdessen unverändert. Dieses lautet: keine Süßstoffe. Hoppichler führt aus: „Von Beginn an verfolgte SIPCAN, in Abstimmung mit dem Gesundheits- und Bildungsministerium, das Ziel, dass die gesündere Wahl zur leichteren wird. Bei süßstoffhaltigen Getränken ist bis heute nicht ersichtlich, wie süß diese tatsächlich sind. Somit gibt es keinerlei Orientierung für den Verbraucher und die Verbraucher gewöhnen sich langfristig immer mehr an zu süßen Geschmack.“
Kautzky-Willer ergänzt: „Gleichzeitig zeigen aktuelle Ergebnisse aus klinischen Studien, dass Süßstoffe keinen positiven Effekt auf den Body Mass Index haben. Dies wird durch Ergebnisse gestützt, wonach sogar mit einer Gewichtszunahme zu rechnen ist. Zusätzlich stehen Süßstoffe in Verbindung mit mehr Neuerkrankungen an Bluthochdruck, Diabetes Mellitus und am metabolischen Syndrom. Letzteres steht für ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte. Aktuelle Auswertungen großer Datensätze zeigen, dass der Konsum von zuckersüßen Getränken mit einem höheren Sterberisiko, v.a. durch kardiovaskuläre Erkrankungen bedingt, bei beiden Geschlechtern einhergeht. Darüber hinaus wurde speziell für Frauen aber auch ein Zusammenhang von mit Süßstoff gesüßten Getränken und einer kürzeren Lebenserwartung gezeigt, der ab vier Portionen pro Tag signifikant war“.
Die Ergebnisse der Langzeitstudie von SIPCAN zeigen, dass im Jahr 2010 noch jedes sechste Getränk Süßstoffe enthielt (16,6 Prozent). 2019 trifft dies nur mehr auf jedes achte Produkt (11,8 Prozent) zu. Der Anteil an süßstoffhaltigen Getränken ist also ebenfalls stark gesunken.
Hoppichler erklärt: „Jeder von uns muss eine ehrliche Chance bekommen, sich an weniger Süße gewöhnen zu können. Auf diese Weise wird es langfristig möglich, einen gesünderen Lebensstil zu erreichen.“
Downloadmöglichkeit und praktische Getränke-APP
Die Ergebnisse dieser Studie werden auf www.sipcan.at als übersichtliche Getränkeliste zum Download, als online-Suche und als praktische App zur Verfügung gestellt, in der die Produkte nach Namen aber auch nach Zuckergehalt sortiert sind und alle relevanten Details angesehen werden können.
Orientierung für die Schule ist der Ursprung der Getränkeliste Entstanden ist die Idee zu dieser Langzeitstudie durch die Betreuung von Schulen und Schulbuffets. 2008 wurde den Experten von SIPCAN die Frage gestellt, welche Getränke im Rahmen der schulischen Verpflegung angeboten werden dürfen. Darauf aufbauend wurde die erste Recherche durchgeführt. Was zu diesem Zeitpunkt noch fehlte waren klare Kriterien, ab welchem Zuckergehalt Getränke an Schulen angeboten bzw. nicht angeboten werden sollten. Erst diese Kriterien brachten die notwendige Orientierung und Entscheidungsgrundlage. Als erstes fasste die definierte Zuckergrenze im Schulsystem Fuß. Heute kennen diese Orientierungskriterien beinahe jede Schule, jeder schulische Verpflegungsbetrieb, aber auch der Handel und die Getränkeproduzenten. Wer heute an Schulen Getränke verkaufen möchte, hält sich in der Regel an die SIPCAN-Kriterien. „Der nächste wichtige Schritt ist, dass auch alle Konsumentinnen und Konsumenten – von den Jugendlichen bis zur Großelterngeneration – die direkt im Handel einkaufen oder im Restaurant bestellen, die Orientierungskriterien kennen und anwenden. Jeder soll sich merken: max. 6,7 g Zucker und keine Süßstoffe“, appelliert Kautzky-Willer abschließend.
Comentarios