Science News 08: Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch hochverarbeitete Lebensmittel
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die weltweit häufigste Todesursache und für etwa ein Drittel aller Todesfälle verantwortlich. Die Ernährung spielt sowohl als führender Risikofaktor als auch in der primären und sekundären kardiovaskulären Prävention eine zentrale Rolle. Nachdem eine Vielzahl an Studien Zusammenhänge zwischen einem höheren Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigte, fassten Juul et al. die Erkenntnisse zu den diesen Assoziationen mutmaßlich zugrunde liegenden Mechanismen in einem aktuellen Review zusammen.
Hinsichtlich der Verarbeitung von Lebensmitteln gibt es ein breites Spektrum verschiedener Techniken. Hochverarbeitete Lebensmittel sind industriell hergestellte Lebensmittel, die bei ihrer Verarbeitung mehrere Prozesse durchlaufen und mehr oder weniger viele Zusatzstoffe enthalten. Zu diesen Lebensmitteln zählen jedoch nicht nur sogenannte Junkfood-Produkte, sondern auch Lebensmittel, die als gesund vermarktet und wahrgenommen werden wie z. B. Joghurts, Frühstückscerealien, kalorienreduzierte oder auch mit bestimmten Nährstoffen angereicherte Produkte.
Methode
Mit dem Ziel, die Beweislage zu den biologischen Mechanismen, die für die Zusammenhänge zwischen dem Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel und dem gesteigerten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich sind, zusammenzufassen, beschäftigen sich Juul et al. im Detail mit Ergebnissen von Laborstudien, einzelnen epidemiologischen Studien und Metaanalysen.
Ergebnisse
Ergebnisse von Laborstudien bis hin zu Beobachtungen aus prospektiven epidemiologischen Studien deuten darauf hin, dass hochverarbeitete Lebensmittel die kardiometabolische Gesundheit durch eine Vielzahl von Mechanismen beeinflussen können, die über die Wirkung der einzelnen Nährstoffe hinausgehen. Die Verarbeitung führt zu maßgeblichen Veränderungen der Lebensmittelmatrix sowie der chemischen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften, weshalb hochverarbeitete Lebensmittel im menschlichen Körper anders wirken als weniger stark verarbeitete Nahrungsmittel mit gleicher Nährstoffzusammensetzung. Die veränderte physikalische Struktur beeinflusst etwa die Absorptionskinetik, das Sättigungsgefühl, die glykämische Reaktion sowie die Zusammensetzung und Funktion der Darmmikrobiota. Sättigungssignale und das Belohnungssystem im Gehirn können derart beeinflusst werden, dass das Ernährungsverhalten langfristig verändert wird.
Die Framingham-Offspring-Studie zeigte beispielsweise, dass durch jede zusätzliche tägliche Portion hochverarbeiteter Lebensmittel das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis um 7 % stieg. In der NutriNet-Santé-Kohortenstudie wurde ein um 12 % erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen durch einen erhöhten Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel beobachtet. Darüber hinaus gibt es überzeugende Evidenz aus Metaanalysen, dass bestimmte hochverarbeitete Lebensmittel (z. B. gesüßte Getränke) und Inhaltsstoffe, die in diesen Lebensmitteln häufig enthalten sind (z. B. Transfette, Natrium) das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.
Es wurden Zusammenhänge zwischen einem höheren Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln und erhöhtem Risiko für Übergewicht und Adipositas, Bluthochdruck, Insulinresistenz, Diabetes und Dyslipidämie gefunden. Auch die Tatsache, dass ein hoher Konsum von hochverarbeiteten Lebensmitteln oftmals bewirkt, dass gesundheitsförderliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse weniger häufig gegessen werden, birgt ein Risiko für die Entstehung von kardiometabolischen Erkrankungen.
Schlussfolgerungen
Die starke Verarbeitung von Lebensmitteln kann die kardiometabolische Gesundheit durch eine Vielzahl von Mechanismen mit sowohl direkten als auch indirekten Auswirkungen beeinträchtigen. Zu den plausiblen biologischen Erklärungen gehören unter anderem eine erhöhte Energieaufnahme, Veränderungen des Darmmikrobioms, Veränderungen von Sättigungssignalen und hormonelle Wirkungen. Außerdem bringen hochverarbeitete Lebensmittel nicht nur minderwertige Nährstoffe und Zutaten in die Ernährung, sondern können auch eine gesunde Vollwertkost verdrängen.
Um potenziell schädliche Verarbeitungstechniken und Zutaten zu meiden, ist es wichtig zu verstehen wie Lebensmittel durch die Verarbeitung verändert werden und durch welche Mechanismen diese veränderten Lebensmittel die Gesundheit beeinflussen. Um die tatsächlichen Einflüsse und Schäden durch die Nährstoffzusammensetzung und physikalische Struktur hochverarbeiteter Lebensmittel sowie verwendeter Lebensmittelzusatzstoffe zu klären, ist weitere Forschungsarbeit erforderlich.
Quellen
Juul F, Vaidean G, Parekh N. Ultra-processed Foods and Cardiovascular Diseases: Potential Mechanisms of Action. Advances in Nutrition 2021, 00:1–8; nmab049; https://doi.org/10.1093/advances/nmab049
Zitierung:
SIPCAN, Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch hochverarbeitete Lebensmittel. SIPCAN Science News 2021, Juni; 8.
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