Wir denken kaum bewusst darüber nach, ob wir noch hungrig sind oder eigentlich schon satt. Die Regulation von Hunger und Sättigung unterliegt einem physiologischen Mechanismus – aber nicht nur. Welche Rolle "hedonische" Faktoren, Buffetvielfalt und Schlaraffenland oder die Essgeschwindigkeit spielen, verrät unser heutiger Blog.
Hunger und Sättigung sind ein komplexes System, an dem verschiedene Faktoren beteiligt sind. Genauso wie wir nicht nur dann essen, wenn wir hungrig sind, hören wir nicht immer zu essen auf, obwohl wir physiologisch gesehen eigentlich satt sind. Das liegt daran, dass an der Regulation von Hunger und Sättigung nicht nur physiologische Faktoren eine Rolle spielen (wie die Regelung unseres Energiegleichgewichts im Sinne einer Homöostase), sondern unter anderem auch so genannte „hedonische“ Aspekte wie Freude, Vergnügen, Lust und Genuss – wer kennt das nicht...
Ein bisschen Physiologie: die Sättigungskaskade
Bei der Nahrungsaufnahme gelangt die Nahrung zunächst in den Magen, der sich ausdehnt. Das aktiviert Mechano-Rezeptoren, die diese Dehnung an das Sättigungszentrum im Gehirn melden. Mit dem Anstieg des Blutzuckerspiegels wird gleichzeitig die Bauchspeicheldrüse aktiv und Insulin wird ausgeschüttet, das auch als Sättigungshormon fungiert. Auch im Darm werden mehrere Hormone produziert, die Sättigungssignale an das Gehirn schicken. Im Fettgewebe wird das Sättigungshormon Leptin freigesetzt, das dem Gehirn „die Fettspeicher sind voll“ signalisiert. Die physiologische Sättigung geht also mit einer schrittweisen Aktivierung unterschiedlicher Mechanismen einher, die wiederum von Faktoren wie der Nahrungszusammensetzung, der Konsistenz der Nahrung, dem Energiegehalt und der Energiedichte beeinflusst wird.
Wenn ich nur aufhören könnt…
Die Physiologie ist jedoch nicht alles. Wird etwas Leckeres gegessen, wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert und die Neurotransmitter Serotonin und Dopamin werden ausgeschüttet – zwei Wohlfühl- bzw. Antriebshormone. So kann es auch sein, dass der von uns schon erwartete Genuss uns zum Essen verführt und der dabei erlebte Genuss beeinflusst, wie viel wir davon essen, und zwar unabhängig von unseren physiologischen Sättigungssignalen. In Laborversuchen konnte festgestellt werden, dass ein hohes Maß an hedonischen Faktoren (auch als „liking“ und „wanting“ bezeichnet) die Motivation zum Essen erhöht – mit schnellerem Essen, verzögerter Sättigung und Erhöhung der konsumierten Portionsgröße als Folgen. Abseits des Labors zeigt sich, dass vor allem das „wanting“ (etwas essen wollen) zunehmend an Bedeutung gewinnt – in einem Schlaraffenland, wo uns attraktiv Beworbenes in großen Mengen zur Verfügung steht. Immer größere Verpackungen tun ihr Übriges und verleiten dazu, mehr zu konsumieren.
Weniger vom Gleichen
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die sensorische Sättigung oder so genannte „wahrnehmungsspezifische“ Sättigung. Darunter versteht man das abnehmende Verlangen nach einem Lebensmittel oder einer Speise mit zunehmend verzehrter Menge. Die sensorische Sättigung hat also einen dämpfenden Effekt, sie fördert die Sättigung: Gibt es nur eine Speise zur Auswahl, so wird diese im Verlauf der Nahrungsaufnahme weniger interessant. Umgekehrt führt ein vielfältiges Angebot am Buffet oder bei mehrgängigen Menüs meist zu einer größeren Nahrungsaufnahme, bevor wir uns satt fühlen.
Bitte langsam
Einen wichtigen Einfluss auf die Sättigung hat auch die Geschwindigkeit der Nahrungsaufnahme. Denn bis die physiologische Sättigungskaskade voll eingesetzt hat, dauert es in der Regel 15 bis 20 Minuten. Wer schnell isst, läuft also Gefahr in dieser Zeit viel mehr Energie aufzunehmen, bevor ein Sättigungsgefühl eintritt. Wichtig diesbezüglich ist der Aspekt der Textur: Ein Lebensmittel, das gut gekaut werden muss, verlängert die Kau-Zeit, reduziert somit die Essgeschwindigkeit und wirkt sich daher positiv auf die Sättigung aus.
Ein weiterer Einflussfaktor ist die erwartete Kalorienmenge. Das bedeutet: Sehen Speisen energiedicht aus, haben also zum Beispiel eine große sichtbare Oberfläche bzw. Masse, dann ist die erwartete Sättigung und in weiterer Folge auch die wahrgenommene Sättigung größer.
Mindful eating
Wenn es um Hunger und Sättigung geht, fällt es vielen Menschen schwer auf die „inneren“ Signale ihres Körpers zu hören. Eine gute Strategie diesbezüglich ist das Konzept „mindful eating“ – sich für das Essen Zeit nehmen, bewusst essen, genießen und möglichst oft kauen. Denn beim langsamen Essen entsteht eher ein angenehmes Wohlgefühl des Sattseins. Legen Sie dazu immer wieder das Besteck zur Seite und machen Sie eine bewusste Pause, essen Sie ohne Ablenkung, nehmen Sie verstärkt Speisen in angemessenen Portionsgrößen zu sich und solche, die eine unterschiedliche Textur aufweisen und kauen Sie bewusst länger als sonst (Expert*innen-Empfehlung: mindestens 15 Mal). Bevorzugen Sie Speisen, die zwar viel Volumen haben und energiedicht aussehen, es aber nicht sind – denn diese machen trotzdem satt.
Comentarios