Science News 23: Der Effekt der Portionsgröße auf das Gewicht
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Portionsgrößen von im Handel erhältlichen Lebensmitteln zugenommen, sodass vor allem viele hoch verarbeitete, energiereiche Lebensmittel in deutlich größeren Portionen angeboten werden (1). Aus der Psychologie ist der Portionsgrößeneffekt bekannt, bei dem unabhängig von intrinsischen Sättigungssignalen mehr gegessen wird, wenn große Mengen angeboten werden. Im bekannten Experiment von Wansink et al. wurde der Hälfte der Teilnehmer*innen Suppe aus speziellen sich selbst nachfüllenden Schüsseln serviert, die andere Hälfte konsumierte die Suppe aus normalen Suppenschüsseln. Dabei zeigte sich, dass jene Teilnehmer*innen, die unwissentlich aus den sich selbst nachfüllenden Schüsseln gegessen hatten, 73 % mehr Suppe konsumierten (2). Hollands et al. fassten in einem systematischen Review zum Portionsgrößeneffekt die Erkenntnisse wie folgt zusammen: Menschen konsumieren mehr Speisen und Getränke, wenn ihnen diese in größeren Portionen, Verpackungen oder größerem Geschirr angeboten werden (3). Als logische Konsequenz stellt sich die Frage, ob Portionsgrößen auch einen direkten Einfluss auf das Körpergewicht haben.
Der Effekt der Portionsgröße auf das Gewicht – das sagen Studien
French et al. begleiteten 233 erwachsene Proband*innen, denen während der Arbeitswoche über sechs Monate kostenlose Lunchpakete zur Verfügung gestellt wurden. Eine Gruppe erhielt Lunchpakete mit einem Energiegehalt von rund 400 kcal, eine mit rund 800 kcal und eine mit rund 1.600 kcal. Die durchschnittliche Energieaufnahme beim Mittagessen war entsprechend der Portionsgröße in der 800 kcal Gruppe (557 kcal) und der 1.600 kcal Gruppe (636 kcal) signifikant höher als in der 400 kcal Gruppe (417 kcal). Darüber hinaus war die tägliche Gesamtenergieaufnahme in der 1.600 kcal Gruppe signifikant höher (1.996 kcal) als in den anderen beiden Gruppen (400 kcal: 1.718 kcal sowie 800 kcal: 1.792 kcal). In Bezug auf die Gewichtszunahme zeigte sich in der 1.600 kcal Gruppe nach sechs Monaten ein signifikanter Unterschied zum Ausgangsgewicht (4).
Weiters zeigte eine brasilianische Studie aus 2018 mit über 24.000 Personen eine positive Assoziation zwischen dem Konsum von großen Soft-Drink-Portionen (über 350 ml) und Übergewicht (5).
Haynes et al. maßen in einer kontrollierten Laborstudie mit einem randomisierten Crossover-Design (n = 30) die tägliche Energieaufnahme über drei fünftägige Zeiträume. Die Größe der servierten Portionen wurde beim Mittag- und Abendessen manipuliert: „groß“ (747 kcal), „mittel“ (543 kcal) und „klein“ (339 kcal). Die Versuchsteilnehmer*innen konnten sich zusätzlich zu den servierten Portionen noch frei an einem Buffet bedienen. Dabei wurde der Frage nachgegangen, ob die kleineren Portionsgrößen über das Zusatzangebot am Buffet in Bezug auf die Energieaufnahme kompensiert wurden. Obwohl die zusätzliche Aufnahme beim Mittag- und Abendessen in den Gruppen „klein“ und „mittel“ signifikant höher als in der Gruppe „groß“ war, war der Portionsgrößeneffekt stärker als das Ausmaß des zusätzlichen Nahrungsmittelkonsums über das Buffet. Das heißt: eine kleine Portionsgröße führte trotz zusätzlichem „Nachschlag“ zu einer geringeren Gesamtenergieaufnahme als eine große Portionsgröße (6).
Welches Potential der Portionsgrößeneffekt in der Gemeinschaftsverpflegung haben könnte, wurde im Zuge einer randomisierten, kontrollierten Studie an 19 Kantinenstandorten in England über einen Zeitraum von 25 Wochen erforscht. Dabei zeigte sich, dass der Ersatz verschiedener energiereicher Lebensmittel durch Lebensmittel mit geringerem Energiegehalt die Energieaufnahme um 4,8 % sowie die zusätzliche Verringerung der Portionsgröße energiereicher Lebensmittel die Energieaufnahme um 11,5 % reduzierte (7).
Fazit
Auch wenn die derzeitige Studienlage zu den spezifischen Auswirkungen des Portionsgrößeneffekts auf das Körpergewicht als stark ausbaufähig eingestuft werden muss, steht fest, dass wir uns beim Nahrungsverzehr an der Portionsgröße bzw. Verpackungsgröße orientieren. Gleichzeitig beeinflusst die konsumierte Portionsgröße wiederum die Energiemenge, die dem Körper zugeführt wird und bekannter Weise steht die Energieaufnahme (neben dem Energieverbrauch) direkt in Verbindung mit dem Körpergewicht. Aufbauend auf diesem Wissen und der derzeitigen Studienlage sollte speziell zum Zusammenhang von Portionsgröße und Gewicht weitere Forschung betrieben werden, um konkrete Empfehlungen für eine wirksame Prävention und Therapie von Übergewicht formulieren zu können.
(Literatur im Download-Dokument)
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