Science News 18: Der Einfluss von Portionsgrößen.
Die durchschnittlichen Portions- und Verpackungsgrößen von Lebensmitteln und Getränken haben sich in den letzten 30 Jahren deutlich vergrößert. Zahlreiche Studien zeigten, dass sich dadurch automatisch die verzehrten Mengen erhöhen. Da der Mensch dazu neigt, die gesamte ihm servierte Portion zu konsumieren, gehen größere Portionen sowohl bei Speisen als auch bei Getränken mit einem höheren Konsum einher. Die bereitgestellte Menge wird automatisch als die angemessene Menge wahrgenommen. Dies wird in der Literatur als „Portionsgrößeneffekt“ bezeichnet. Die Zunahme der Portionsgröße dürfte daher auch eine wichtige Rolle bei den steigenden Prävalenzen von Übergewicht und Adipositas spielen.
Studien und Ergebnisse
Ein bekanntes Beispiel sind die bereits vor über 15 Jahren von Wansink et al. (2005) durchgeführten Experimente, bei denen der Hälfte der Proband*innen durch einen speziellen Apparat unmerklich Suppe nachgefüllt wurde. Jene Teilnehmer*innen, die unwissentlich aus sich selbst nachfüllenden Schüsseln aßen, konsumierten 73 % mehr Suppe als diejenigen, die aus normalen Schüsseln aßen. Trotzdem glaubten sie, nicht mehr konsumiert zu haben und fühlten sich auch nicht satter.
In einem Review zur Portionsgröße bezeichnete David Benton im Jahr 2015 den Portionsgrößeneffekt und die Wahl der Portionsgröße als komplexe Phänomene, die von einer Reihe von Faktoren wie Verpackung und Werbung zusätzlich beeinflusst werden. Die Methode der Portionskontrolle wird als möglicherweise praktikabel bezeichnet, es wird aber auch auf mögliche Probleme hinsichtlich der Akzeptanz der Konsumenten gegenüber der Einführung kleinerer Verpackungsgrößen verwiesen und empfohlen, die tatsächliche Rolle der Portionsgröße bei der Energieaufnahme genauer zu untersuchen.
Auch Hetherington et al. (2018) beschäftigten sich mit der Frage, was den Portionsgrößeneffekt antreibt und was gegen seine negativen Auswirkungen getan werden kann. Auch sie beschreiben den Portionsgrößeneffekt als komplex und beeinflusst von individuellen Eigenschaften sowie hedonischen Prozessen. Sie fordern vor allem für Kinder und Jugendliche Downsizing-Lösungen und bezeichnen die Verkleinerung der Portionsgrößen von energiereichen Lebensmitteln als eine naheliegende und einfache Lösung.
Eine Studie von Vandenbroele et al. (2019) zeigte, dass beim Angebot größerer Portionen deutlich mehr konsumiert wird, als wenn die gleiche Menge in mehreren kleineren Einheiten angeboten wird. So würde beispielsweise eine 1-Liter-Flasche eines zuckerhaltigen Getränks gleichermaßen als eine Portion wahrgenommen werden, wie eine nur 250 ml enthaltende Flasche oder Dose.
Für ein systematisches Review analysierten Chu et al. (2021) 40 relevante Studien des letzten Jahrzehnts zum Zusammenhang zwischen Verpackungsmerkmalen und Nahrungsaufnahme. Kleinere Verpackungsgrößen, eine Aufteilung auf Portionen und Wiederverschließbarkeit führten allesamt zu einer geringeren Aufnahmemenge. Die Autoren forderten daher, dass insbesondere für Lebensmittel mit hoher Energiedichte Lösungen im Bereich der Portionskontrolle gefunden werden, um die Entstehung von Übergewicht durch chronische, übermäßige Energieaufnahme zu verhindern.
Schlussfolgerungen
Große Portionen können aufgrund der erhöhten Energieaufnahme zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Übergewicht und Adipositas beitragen. Vice versa könnte die Verkleinerung von Portionsgrößen eine wirkungsvolle Strategie gegen eine Gewichtszunahme darstellen.
Auch SIPCAN empfiehlt, die Portionsgröße bei Lebensmitteln und Getränken zu berücksichtigen, um die Energieaufnahme im positiven Sinne zu beeinflussen und mehr Bewusstsein für die konsumierten Mengen zu schaffen. So sollte z. B. bei Getränken, Milchprodukten oder Müsliprodukten, die nicht den SIPCAN-Kriterien entsprechen, gezielt darauf geachtet werden, dass diese in möglichst kleinen Portionsmengen konsumiert werden. Ein vorstellbarer Ansatz für die Industrie könnte sein, Produkte, bei denen ein gewisser Zucker- und/oder Fettwert überschritten wird, als Genussmittel in kleineren Verpackungsgrößen zu vermarkten.
Quellen:
Bhardwaj J, Schätzer M, Moser N, Gutmann N, Schätzer J, Hoppichler F. Graduelle Zuckerreduktion in Getränken - Best Practice für eine Public-Health-Strategie. Internistische Praxis 2021; 1(63): 537-549.
Wansink B, Painter JE, North J. Bottomless bowls: why visual cues of portion size may influence intake. Obesity Research 2005; 13(1): 93-100.
Chu R, Tang T, Hetherington MM. The impact of food packaging on measured food intake: A systematic review of experimental, field and naturalistic studies. Appetite 2021; 166:105579. doi: 10.1016/j.appet.2021.105579. Epub 2021 Jun 28. PMID: 34197837.
Vandenbroele J, Van Kerckhove A, Zlatevska N. Portion size effects vary: the size of food units is a bigger problem than the number. Appetite 2019; 140: 27-40.
Hetherington MM, Blundell-Birtill P, Caton SJ, Cecil JE, Evans CE, Rolls BJ, et al. Understanding the science of portion control and the art of downsizing. Proc Nutr Soc 2018; 77(3): 347‐355.
Benton D. Portion size: what we know and what we need to know. Crit Rev Food Sci Nutr 2015; 55(7): 988-1004.
Zitierung:
SIPCAN, Der Einfluss von Portionsgrößen. SIPCAN Science News 2022, Juli; 18.
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